1 / 6 >

Victor Campos Leal (Arturo), © Peter Litvai
'La straniera' in Landshut
Belcanto vom Feinsten
Von wegen nicht aufführbar. Während große Häuser wie München, Zürich und Wien sich auf konzertante bzw. halbszenische Aufführungen mit Edita Guberova beschränken, wagt das Landestheater die Inszenierung dieser zu Unrecht ins Abseits gestellten Oper.
Natürlich spiegeln sich in Bellinis Spätwerk seine anderen Opern, natürlich ist diese romantische Oper fern unserer Tage. Würde Alaide, die verstoßene Königin im Wald, gleich ihr Geheimnis lüften, ergäbe sich das ganze Eifersuchtsszenerio gar nicht. Doch gerade durch die rätselhafte Fremde setzt Bellini einen interessanten Anfang. Das anspruchsvolle Libretto zeigt für die damalige Zeit eine erstaunliche geistige Freiheit. Alaide verdammt Gott wegen der misslichen Schicksalskonstellationen. Arturo wird als egoistischer Narziss entlarvt, der seine Braut Isoletta unglücklich macht, La Straniera durch seine Liebe die Ruhe raubt und seinen besten Freund Valdeburgo aus Eifersucht fast mordet. Valdeburgo, als Bruder der Fremden, entlarvt sich durch seine Dominanz als autoritär.
Die Traumatisierung der Personen, ihr emotionales Oszillieren zwischen Höhenflügen und Abgründen als Schattentheater (Controluce Teatro d´Ombre) in surreal abstrakten Bühnenlandschaften zu visualisieren, gelingt in 'La straniera' besser als 2013 bei 'I pirati', nicht zuletzt wegen des gelungenen Bühnenbildes Antonio Martires. Im Spalier von Gold- und Grüntönen verweben Außen- und Innenwelten, Natur und Palast, Realität und Traum. Leere Bilderrahmen fliegen ein: Noch ist die Geschichte ganz offen. Der See irrlichtert grün in der Reflexion des Waldes, und im Gefunkel wächst Alaides Schattenbild, getanzt von Anja-Carina Maisenbacher zu gigantischen Dimensionen. Das ist ein atmosphärischer Hintergrund, vor dem die eher statische Personenregie Alberto Jonas´ sehr gut zur Wirkung kommt. Allerdings verbrauchen sich die Schatteneffekte in den Wiederholungsstrukturen und lenken zuweilen zu sehr von der Musik ab. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Belcanto pur ist, was Bellinis Opern so genussvoll macht - auch wenn es relativ einfache Melodien sind, oft nur Motivansätze nach ähnlichem Schema zwischen Jubel und Absturz, mit dramatischen Crescendi, unterbrochen von subtilen Pianissimi und voluminösen Abgängen.
Ohne Spitzenbesetzung der Titelrolle funktioniert Bellini überhaupt nicht. Deshalb wurde die georgische Nachwuchssängerin Tatiana Larina verpflichtet. Mühelos, mit starker Bühnenpräsenz interpretiert sie die Figur der Alaide im rot schimmernden Kleid als selbstbewusste Frau, die allein ihrer inneren Stimme folgt. Koloraturen singt sie mit der Leichtigkeit eines Schmetterlings, der gleichzeitig im Video die Flügel schlägt, ekstatisch in den Höhen, mit abgründigen Schattierungen in der Tiefe. Kristallklar funkelt ihr Sopran über den Wogen der Tuttis und trifft im feinsten Pianissimo mitten in die Seele.
Trotz der exponierten Partie Alaidas kommen die anderen Rollen sängerisch gut zur Wirkung. In den Duetten und Terzetten erdet Kyung Chun Kims Bariton als Valdeburgo. Der mexikanische Tenor Victor Camos Leal besticht durch seinen lyrischen Tenor, zeigt aber gegen Ende doch Belastungsanzeichen in der Höhe. Durchdringend, mit samtenem Timbre macht Jisang Ryu die Minirolle des Priore zum großen Auftritt der institutionalisierten Moral. Oscar Imhoff wertet die Nebenrolle des Osburgo durch seine sympathische Ausstrahlung auf. Sabine Noack gibt der liebenden Braut Isoletta sängerisch die Wucht einer pragmatischen Frau, die Arturo freigibt, weil sie seine Liebe nicht mehr fühlt.
Unter der musikalisch temperamentvollen Leitung von Basil H.E. Coleman wird dieser Opernabend nach einer kurzen Aufwärmphase zu einem musikalischen Ereignis, da auch der Chor (Christine Strubel) und einige hervortretende Instrumentalisten immer wieder aufhorchen lassen.
Kritik von Michaela Schabel
Kontakt aufnehmen mit dem Autor
Kontakt zur Redaktion
La straniera: Oper von Vincenzo Bellini
Ort: Stadttheater,
Werke von: Vincenzo Bellini
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel.
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich