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Szenenfoto, © Südwestdt. Konzertdirektion Stuttgart Erwin Russ
Marc-André Hamelin in Stuttgart
Pianistisches Phänomen
Nach Stuttgart kommt Marc-André Hamelin regelmäßig schon seit vielen Jahren. Nun war er wieder in der Liederhalle zu erleben, mit seinem aktuellen Recital-Programm.
Klare Diktion
Am Beginn der - wie von ihm persönlich eingangs anmoderiert - leicht abgewandelten Vortagsfolge stand Mozarts D-Dur-Sonate KV 576. Hamelin spielte sie mit klarer Diktion und atemberaubender Geschwindigkeit im Passagenwerk der Ecksätze – bei ihm kein selbstdarstellerischer Showeffekt, sondern schlüssiger Bestandteil des musikalischen Konzepts. Die kantable Melodik des 'Adagio' blüht mit warmem Ton bis in die Nebenstimmen auf. Debussys anschließende dreiteilige 'Images II' hat man selten plastischer, mit solcher Transparenz durch alle komplex angehäuften Klangschichten hindurch gehört. Motivische Konturen erscheinen mit absoluter Klarheit, bei Hamelin erschließt sich der Sinn jeder Phrase unmittelbar; sein Spiel macht jeden musikalischen Faden rot und lässt den Zuhörer die programmatisch umschriebenen Bilder mit geballter atmosphärischer Dichte regelrecht vor dem inneren Auge visualisieren.
Technisch konkurrenzlos
Beide eigenen Stücke Hamelins, die er an diesem Abend im Gepäck hatte, sind Variationswerke. Die 2014 entstandene 'Pavane variée' basiert auf einer Melodie des französischen Geistlichen Thoinot Arbeau (1519-1595). Hamelin formt daraus denkbar vielgestaltige Episoden voller rhythmischer und harmonischer Raffinesse bis hinein in polytonale Sphären. Auf die phänomenale Spitze treibt er sein geniales Spiel mit Klangfarben und Formen in den aus dem Jahr 2011 stammenden Variationen über ein Thema von Paganini. Ausgehend vom selben berühmten Grundgedanken wie Rachmaninoff in dessen bekanntem Werk, lässt er jenes in puncto virtuose Anforderungen sogar noch weit hinter sich und unterstreicht, dass es auf technischem Gebiet derzeit kaum einer mit ihm aufnehmen kann. Sein eigener musikalischer Einfallsreichtum, immer wieder humorvoll gepaart mit hintersinnigen stilistischen und thematischen Anspielungen auf andere Komponisten (z.B. Liszts 'La Campanella') macht die brillante Komposition vollends zum umjubelten Feuerwerk.
Nach der Pause spielte Hamelin Schuberts vier Impromptus D 935. Vielleicht nicht an allen Stellen klanglich so detailliert aufgefächert wie Alfred Brendel oder Grigory Sokolov als einstige bzw. derzeitige Schubert-Instanzen, dafür aber statisch aufgeladener und, vor allem im B-Dur- und im f-Moll-Stück, zwischen den lyrischen Passagen mit unwiderstehlich vorwärtsdrängendem Elan.
Beim begeisterten Publikum bedankt er sich mit drei Zugaben: Gershwins 'Liza' (nicht in der von ihm ebenfalls schon als Encore gespielten Originalversion, sondern in einem bunt schillernden, rasanten Arrangement von Earl Wild), Skrjabins cis-Moll-Etüde op. 2/1 mit fesselnder emotionaler Intensität und feinsten Klangnuancen sowie einem Haydn-Sonatensatz mit mitreißendem Charme, veredelt mit fulminanter Hochgeschwindigkeits-Eleganz.
Kritik von Thomas Gehrig
Kontakt zur Redaktion
Meisterpianisten 2015/16: Marc-André Hamelin
Ort: Liederhalle,
Werke von: Wolfgang Amadeus Mozart, Marc-André Hamelin, Franz Schubert, Claude Debussy
Mitwirkende: Marc-André Hamelin (Solist Instr.)
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