'Don Carlo' am Opernhaus Zürich
Nur mittelmäßig
Die bereits dritte Neuproduktion von Verdis 'Don Carlo' - sie zeigt die fünfaktige, italienische Fassung des Werks - in der Ära Alexander Pereiras setzt szenisch auf eine weitgehend naturalistische Umsetzung des Librettos. Rolf Glittenbergs Bühnenbild beschränkt sich im Fontainebleau-Akt auf einen Nachthimmel hinter einer ansonsten leeren Bühne. Das Kloster von St. Just sowie den Madrider Hof belässt Glittenberg im historischen Ambiente; lediglich die Autodafe-Szene wird mit ineinander verkeilten Kreuzen abstrakt dargestellt. Sven-Eric Bechtolfs Personenführung fokussiert die emotionale Starre des höfischen Lebens, die die Protagonisten kaum durchbrechen können.
Der aus Albanien stammende Tenor Giuseppe Gipali zählt zu den für die internationale Opernszene unverzichtbaren Künstler, die auch bei einem kurzfristigen Einspringen ein durchaus hohes Niveau garantieren, was der Künstler auch als Ersatz für Fabio Sartori in der Titelpartie bewies. Das klein dimensionierte Züricher Opernhaus kommt der stilistisch adäquat geführten Stimme mit ihrem nicht übermäßig großen Volumen entgegen. Schwerer als die nur bedingte Durchschlagskraft des Materials wiegt allerdings das Fehlen einer klangvollen Höhe. Massimmo Cavalletti hat noch einige stimmtechnische Arbeit vor sich, bis er den Posa mit dem erforderlichen Legato zu singen vermag. Derzeit wirkt sein Bariton für die großen Verdi-Partien noch zu kurzatmig und unstet. Auch Matti Salminen hatte bei den ersten Phrasen Probleme, seinen Bass auf Linie zu führen; im Verlauf des Duetts mit Posa fand der Künstler zu seiner gewohnten Form zurück, die demonstrierte, dass das jahrzehntelange Singen der großen Wagner-Rollen Verdi nicht ausschließt. Auch Alfred Muff hat einen großen Teil seiner Sängerlaufbahn Richard Wagner gewidmet. Als Großinquisitor strahlt sein heller und brüchig gewordener Bassbariton wenig Autorität aus.
Für Vesselina Kasarova bedeutet die Prinzessin Eboli die Rückkehr zu einer Rolle, die sie bereits vor Beginn ihrer internationalen Karriere gesungen hat. Der Gesamteindruck ist zwiespältig: Das lyrische Schleierlied mit all seinen Verzierungen kommt der Stimme mehr entgegen als die mit Mühe bewältigten dramatischen Ausbrüche von 'O don fatale, o don crudele'. Anja Harteros sang die Elisabetta diese Spielzeit bereits in München. Den euphorischen Berichten kann man sich nach dieser Vorstellung nur bedingt anschließen, da sich die große Verdi-Kantilene in dieser Vorstellung nur bedingt einstellen wollte und auch der Ausdruck häufig der klanglichen Ästhetik den Vortritt lassen musste.
Enttäuscht wurde, wer sich von Zubin Mehtas Züricher Debüt als Operndirigent eine Verdi-Interpretation mit individueller Handschrift erwartete. Mehta reiht sich ein in die Liste der 'Don Carlo'-Dirigenten, die vor allem den vordergründigen Effekt mit Hilfe von Lautstärke und straffen Tempi suchen, ohne sich mit der Struktur sowie den instrumentalen Details der komplexen Partitur näher zu beschäftigen.
Kritik von Dr. Rainhard Wiesinger
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Verdi: Don Carlo: Opernhaus Zürich
Ort: Opernhaus,
Werke von: Giuseppe Verdi
Mitwirkende: Zubin Mehta (Dirigent), Orchester des Opernhauses Zürich (Orchester), Sven-Eric Bechtolf (Regie), Massimo Cavalletti (Solist Gesang), Matti Salminen (Solist Gesang), Alfred Muff (Solist Gesang), Vesselina Kasarova (Solist Gesang), Anja Harteros (Solist Gesang)
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Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
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