Cavalleria Rusticana und Bajazzo auf Gut Immling
Bella Italia im Chiemgau
Zum neunten Mal jährt sich das wohl schönste Opernfestival zwischen München und Salzburg: die Opernfestspiele auf Gut Immling im Chiemgau. Seit 1997 stetig gewachsen, sind die von Intendant Ludwig Baumann initiierten Opernaufführungen ein Geheimtipp für Kulturliebhaber. Wie kommt es zu diesem familiären Opernfestival, fernab von Massenevents, auf einem Chiemgauer Gutshof? Ludwig Baumann, international etablierter Opernsänger, wurde 1994 durch einen Bühnenunfall in der Semperoper schwer am Rücken verletzt und leidet seitdem an chronischen Rückenschmerzen. Nach einem Jahr Rehabilitation zog er sich auf das kurz vorher von ihm gepachtete Gut Immling zurück. Das war die Geburtstunde für das Opernfestival auf seinem Gut, das ab 1997 in der von ihm erbauten Reithalle stattfindet. Heuer stehen die Aufführungen (Tosca, italienische Liederabende, Cavalleria Rusticana, Bajazzo u.a.) im Zeichen Italiens, ein Land welches Baumann bedingt durch sein Studium in Rom in sein Herz geschlossen hat.
Cavalleria Rusticana und Der Bajazzo, beides kurze (ein bzw. zwei Akte) Opernwerke bilden nicht willkürlich ein abendfüllendes Werkpaar. Pietro Mascagni (Cavalleria Rusticana) und Ruggero Leoncavallo (Bajazzo) waren zu Lebzeiten befreundet und angespornt von Mascagnis Erfolg der Cavalleria Rusticana, die den ersten Preis eines Kompositionswettbewerbes für einaktige Open gewann, komponierte Leoncavallo zwei Jahre später (1892) den Bajazzo, der sich ebenfalls großen Erfolgs erfreuen durfte. Beide Werke folgen dem Sujet des Verismus (Naturalismus in der Musik) und entsprechen somit dem damaligen Trend in Musik und Literatur in Italien.
Professioneller Laienchor mit voluminösen Orchester
Den musikalischen Teppich für die Sänger rollten die Münchner Symphoniker unter der Leitung von Ivan Anguélov aus. In den Anfangstakten mit noch einigen Stolperstellen, entwickelten die Musiker bald die von ihnen gewohnte Qualität. Die Akustik erwies sich als phänomenal, das Hörerlebnis war gewaltig. Der Zuschauer saß mit den Musikern auf einer Ebene, der Klang wurde nicht durch einen Orchestergraben absorbiert und konnte sich in voller Klangfülle entfalten. Spätestens beim weltberühmten Intermezzo sinfonico garantierte die feinfühlige Interpretation Gänsehaut beim Hörer und trug ihn geistig nach Italien und dessen Flair. Wäre es draußen nicht so kalt gewesen, hätte sich der in der Pause auf der Anhöhe gut zu beobachtende Sonnenuntergang perfekt mit der Musik zu einem Gesamtkunstwerk vereint.
Genial auch die Chorpassagen: im Gegensatz zu den professionellen Solosängern, setzte sich der Chor aus Sängern der Umgebung zusammen. Ohne diese Information aus dem Programmheft, würde keiner an einen Laienchor geglaubt haben. Exakte Synchronität innerhalb, aber auch zusammen mit dem Orchester und eine saubere Intonation zeichnen den bereits vielseitig gelobten Chor aus.
Hohes gesangliches Niveau
Die Sänger beider Opern fügten sich vorbildlich in den von Chor und Orchester gesteckten Qualitätsrahmen. Der wegen einer Grippe verhinderte Michael Putsch wurde durch den kurzfristig aus London eingeflogenen Tenor Luis Rodriguez vertreten, der ihn in der Rolle des Turridu gebührend vertreten hatte. Ebenfalls stimmgewaltig und mit argentinischem Temperament verkörperte der Bariton Claudio Malgesini seinen Part als Alfio bzw. den Tonio im Bajazzo. Aus dem Bajazzo fiel besonders Yongman Kwon (Bariton) auf: eine deutliche Artikulation und eine reine Tongebung zählten zu seinen Stärken.
Bühnenbild beleuchtet raffinierte Regie
Ganz im Sinne des Verismus gesellten sich die Sänger in beiden Opern unter die Zuschauer, setzten sich in die Reihen, zogen durch die Gänge und kamen singend von hinten. Sogar den Bogen von der ersten zur zweiten Oper scheute der Regisseur Stefan Tilch nicht: im Bajazzo selbst wurde eine Szene aus der Cavalleria zitiert.
Die bühnentechnischen Gegebenheiten in einem Stadl sind sehr begrenzt. Umso mehr erfreute es den Besucher, dass mit einfachen Mitteln und einer durchdachten, einfallsreichen Beleuchtung große Wirkung erzielt wurde.
Die Opernaufführung und allgemein das Immlinger Opernfestival sind eine erfreuliche Insel in der Kulturlandschaft und rechtfertigen einen Besuch.
Kritik von Florian Lang
Kontakt zur Redaktion
Cavalleria Rusticana/Bajazzo:
Ort: Gut Immling,
Werke von: Pietro Mascagni, Ruggero Leoncavallo
Mitwirkende: Ivan Anguélov (Dirigent), Münchner Symphoniker (Orchester), Stefan Tilch (Regie), Luis Rodriguez (Solist Gesang), Claudio Malgesini (Solist Gesang), Yongman Kwon (Solist Gesang)
Detailinformationen zum Veranstalter Opernfestival Gut Immling ChiemgauDieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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