Fünf Jahre Musikfestival Grafenegg
Freude schöner Götterfunken
Das Musikfestival Grafenegg hat sich in nur fünf Jahren etabliert. Nahe der Stadt Krems in Niederösterreich lockt die Parklandschaft inmitten malerischer Weinbaugebiete das Publikum aus Nah und Fern. Zu genießen gilt es Musik in kulturellem Ambiente, verbunden mit landschafttypischen Köstlichkeiten. Das Konzert zur Eröffnung des fünften Musikfestivals unterm freien Himmel muss abgesagt werden. Kein Sternenhimmel, sondern bedrohlich dunkle Gewitterwolken. Aber - das ist der Luxus für alle in Grafenegg - nach Hause gehen muss niemand. Die Konzertgäste des Wolkenturms bekommen ihre Plätze im Konzertsaal, dem Auditorium aus Jahre 2008, in seiner Form dem berühmten Goldenen Saal des Wiener Musikvereins nachempfunden. Für die Picknickgäste gibt es eine Videoübertragung in der Reitschule, dem Kammermusiksaal des Festivals.
Mit kurzer Verzögerung beginnt das Konzert. Die Eingangsfanfare für 26 Blechbläser und zwei Percussionisten, HK Grubers 'Demilitarized Zones', Marschparaphrasen für Brass Band von 1979, sprengt aber beinahe doch die Dimensionen des Saales. Dabei entwickelt Gruber in diesem siebenminütigen Werk, das sich aus Motiven etlicher bekannter Märsche zusammensetzt eine so interessante wie verblüffende Idee. Auf die Mittelstimmen kommt es ihm an; sie gilt es zu emanzipieren und zu würdigen, weil ohne sie weder die tragenden Unterstimmen noch die virtuosen Oberstimmen zur Wirkung kämen. Es ist gar nicht verkehrt und sicher im Sinne des Erfinders, darin ein Abbild gesellschaftlicher Situationen zu sehen und das hauchfeine, der Friedfertigkeit gewidmete Pianissimo, das Gruber zum Schluss eben jener oft übersehenen und überhörten Mitte schenkt, im Ohr zu behalten.
Dann folgen gut 70 Minuten, in denen sich das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter seinem Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada ausgezeichnet präsentieren kann. Beethovens Neunte Sinfonie bietet ja zunächst in den drei instrumentalen Sätzen viele Gelegenheiten, die Tugenden eines Orchesters kennzulernen. Orozco-Estrada lässt zu Beginn die dunklen Passagen wie aus dem Nichts aufsteigen und macht nicht den Fehler, mit der folgenden gewaltigen Steigerung die explosiven Emotionen des Schlusssatzes, bei dem der Chor und ein Solistenquartett hinzukommen, vorwegzunehmen. An Kraft der Interpretation mangelt es nicht, Schärfen gehören dazu, aber auch immer wieder weit gespannte Bögen zarter Klangvisionen.
Mit höchst kommunikativer, temperamentvoller Körpersprache lässt der Dirigent in den beiden ersten Sätze die Gegensätze aufeinander treffen. Das Podium wird zum geistigen Kampffeld mit unentschiedenem Ausgang, und die Musiker folgen dem expressiven Willen ihres Dirigenten, dem sich auch das Publikum nicht entziehen kann. Umso verblüffender die fast unheimliche Ruhe des dritten Satzes, das flehende Thema der der zweiten Violinen und Bratschen. Die Pause zum letzten Satz ist knapp, Chor und Solisten waren schon vor dem dritten Satz aufs Podium gekommen. So hören wir wirklich den Achtung gebietenden Ruf des Basses, andere Töne anzustimmen, nachdem noch einmal der Aufschrei des Beginns anklang. Wenn das in so kultivierter wie ausdrucksstarker Interpretation des Basses Hanno Müller-Brachmann geschieht, sind Maßstäbe für das Kommende gesetzt. Mit kraftvollen Höhen schreitet der Tenor Michael Schade voran; warme, milde Klänge sind die Spezialität der Mezzosopranistin Janina Baechle, als Sopranistin macht Measha Brueggergosman das Quartett komplett. In der Einstudierung von Walter Zeh erleben wir den Philharmonia Chor Wien mit einer großartigen Leistung, maßvoll im Klang bis in die extremsten Jubelpassagen zum Finale.
Kritik von Boris Michael Gruhl
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Musikfestival Grafenegg 2011: Eröffnungskonzert
Ort: Wolkenturm,
Werke von: H.K. Gruber, Ludwig van Beethoven
Mitwirkende: Janina Baechle (Solist Gesang), Michael Schade (Solist Gesang), Hanno Müller-Brachmann (Solist Gesang)
Detailinformationen zum Veranstalter Grafenegg FestivalDieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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