Jordi und Ferran Savall in Gstaad
Der Meister und sein Sohn
„Kolumbus mit der Gambe“, so hat man in der Wochenzeitung Die Zeit Jordi Savall genannt. Damit wird auch auf die Verdienste des unermüdlichen Entdeckers Jordi Savall Bezug genommen, dem wir inzwischen wirklich so etwas wie den Zugang zu den neuen Welten eines alten Instruments verdanken. Mit der immer neuen Verblüffung, wie spannend es sein kann, das Alte ganz neu zu hören und zu erleben. In der klaren Akustik unter der hölzernen, gewölbten Decke des Temple de Chateau-d'Oex im Rahmen des 54. Schweizer Menuhin Festivals Gstaad verführte Jordi Savall das Publikum gemeinsam mit seinem Sohn Ferran zu einer Entdeckertour der besonderen Art.
Der Vater entlockt seinen beiden Instrumenten, der größeren Bassgambe, die er zärtlich zwischen den Knien hält und der kleineren Viola da Gamba, auf den Schoß geschmiegt, mit einer Vielzahl an Techniken des Spiels Klänge, die zu weltumspannenden Assoziationen anregen. Dazu der Sohn begleitend und solistisch mit dem Spiel der Théorbe, und vor allem mit seinem betörenden Gesang, einer meisterlich geführten natürlichen Stimme, deren Intensität sich jener Unaufdringlichkeit verdankt, die aus der besonderen Kombination von technischer Expertise und Spiritualität erwächst.
'Chancons & Folies del Renaixement al nostre Temps' heißt das Programm, das Orient und Okzident verbindet. Sephardische Klänge gehen über in hebräische, psalmodische Melodik, um dann orientalischen Zauber mittagsheißer Melancholie in das Flirren nächtlicher Traumwelten des Miguel de Cervantes hinüber zu geleiten. Vor allem faszinieren die utopischen Grenzüberschreitungen der Klänge in Improvisationen oder in den Adaptionen der Musik aus verschiedenen Erdteilen und Gegenden, die einander im spanischen Weltreich weitaus friedlicher begegneten als ihre Sänger, vor allem deren Herrscher.
Orientalische, spanische, altenglische, neapolitanische und bretonische Motive, vorgetragen vom Sänger Ferran Savall, solistisch selbst begleitet auf der Théorbe oder gemeinsam mit dem Gesang der Gamben von Jordi Savall, solistisch in weit schwingender Melodik oder tänzerisch akzentuierten Passagen exotischer Rhythmik sie verschmelzen zu jenem Ton der Faszination, der immer wieder den der Wahrheit trifft, wenn sich in den Augenblicken höchster Konzentration Emotion und Kontemplation begegnen.
Savall & Savall, Vater wie Sohn ist es gegeben an diesem wahrhaft festivalwürdigen Abend dem diesjährigen Thema „Zwischen Himmel und Erde“ in jener Kirche auf einer Anhöhe gut 1000 Meter über dem Meeresspiegel gerecht zu werden. Immer wieder führt ihre Musik in die Stille, ihr Klang öffnet Perspektiven und Assoziationsräume, die Zuhörer gewinnen Welten, ganz ohne List und Gewalt, Utopien zum Auftanken. Was will man mehr bei einem Sommerfestival, das dem visionären Geist seines Gründers verpflichtet ist?
Kritik von Boris Michael Gruhl
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Menuhin Festival Gstaad, Temple de Château-d'Oex: Jordi und Ferran Savall, Cancons & Folies
Ort: Kapelle Gstaad,
Mitwirkende: Ferran Savall (Solist Gesang), Jordi Savall (Solist Instr.)
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Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
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