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Großes Festspielhaus Salzburg, © Andreas Praefcke
Ein Orchesterkonzert der Salzburger Mozartwoche
Harnoncourt mit Schubert und Mozart
Fast könnte man meinen, die Zeit zum Proben hätte nicht für alle drei Werke gleichermaßen ausgereicht. Nicht etwa, weil Schuberts Symphonie Nr. 5 in B-Dur (D 485) und Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur (KV 488) im ersten Teil des Konzertes schlampiger oder weniger konzentriert dargeboten worden wären als die ‚Unvollendete‘ (D 759) nach der Pause, sondern weil beide Interpretationen kaum etwas von Harnoncourts spezifischem Stil erkennen ließen, der Konzerte mit ihm stets spannend und bereichernd macht, ihnen bisweilen aber auch eine etwas leidig pädagogische Note verleihen kann. So ging man, je nach persönlichem Geschmack, enttäuscht oder erleichtert in die Pause, nach welcher Harnoncourt dann aber doch eine sehr eigene Sicht auf Schuberts h-Moll-Symphonie zeigte.
Angenehm leicht und entspannt kam Schuberts Fünfte daher, die der Wiener Kritiker Eduard Hanslick vor allem wegen der Verwandtschaft mit der g-Moll-Symphonie KV 550 „einen schwachen Abguß von Mozart“ genannt hat. Zurückhaltend leise, zart im Gestus durften die Violinen der Wiener Philharmoniker nach der kurzen Einleitung das Hauptthema vorstellen, ein erlesener Dialog der Instrumentengruppen folgte im zweiten Satz ('Andante con moto‘), der warm und weich fließend, aber dennoch klar artikuliert gespielt wurde. Ein wenig derber hätte vielleicht das einem Ländler ähnliche Trio in G-Dur im sonst eher düsteren Menuett ('Menuetto. Allegro molto – Trio‘) geraten dürfen, in dem die Melodie über liegende Bassfiguren strömt, die vom Fagott und den tiefen Streichern intoniert werden. Schuberts Nähe zur österreichischen Volksmusik hätte hier deutlicher hörbar werden können. Flott, leichtfüßig und liebenswürdig klang die Sinfonie im 'Allegro vivace‘ aus. Harnoncourt wollte hier einmal nichts demonstrieren oder zurechtrücken, ging einmal nicht gegen eine überkommene und für ihn falsche Aufführungstradition an und tat gut daran, die Leichtigkeit des Werkes zu wahren. Und die Wiener Philharmoniker durften ihre ganze Klangschönheit entfalten, für die man sie so liebt.
Wie vorzüglich dieser Klang zu Mozarts Musik passt, war beim folgenden Klavierkonzert Nr. 23 in A-Dur gleich schon in der Exposition des Kopfsatzes zu hören: Leicht und charmant wurde das kantable Thema von den Streichern intoniert und von den Bläsern aufgenommen und bekräftigt. Angenehm dezent fügte sich das Spiel des norwegischen Pianisten Leif Ove Andsnes ein, das sich nie brillierend oder selbstgefällig in den Vordergrund drängte. Zurückhaltend, nicht zu langsam und keineswegs sentimental gerät ihm die Melancholie der 22 Einleitungstakte im zweiten Satz ('Adagio‘), die, sogleich von den hervorragenden Holzbläsern der Philharmoniker aufgegriffen, mit ihrer schmerzlichen Chromatik die Grundstimmung des ganzen Satzes festlegen und dessen Tonart fis-Moll überhaupt nur ein einziges Mal in Mozarts Konzerten vorkommt. Etwas farbenreicher hätte sein Spiel wohl im dritten Satz ('Allegro assai‘) sein können, der doch mit seiner Fülle witziger Themen die entstehungsgeschichtliche Nähe zum 'Figaro‘ dauernd hörbar macht. Was zuvor als unprätentiös für Andsnes‘ Spiel einnahm, seine noble Zurückhaltung eben, wirkt hier nun doch ein wenig fad; zu monochrom und zu gleichmäßig perlend floss das Allegro dahin. Das könnte mit mehr Esprit und kräftigeren Farben gestaltet werden.
Ein viel schärferer Wind wehte nach der Pause im Großen, voll besetzten Salzburger Festspielhaus. Düster und herb wurde der Kopfsatz von Schuberts Symphonie Nr. 7 mit dem Unisono der Bässe eröffnet, bedrohlich wirkte auch das h-Moll-Hauptthema der Oboe und Klarinette über der nervös pochenden Bassuntermalung im Pizzikato. Harnoncourt trennt das Seitenthema klar davon ab, indem er eine scharfe Zäsur vor dem überleitenden, lange gehaltenen Hornruf setzt. Dann verschwindet das ländlerartige, äußerst zurückhaltend gespielte Thema der Celli in G-Dur beinahe unter den stakkatierten Akkorden der Holzbläser, die sonst nur untermalende Begleitung sind. Wiederum folgt eine tiefe Generalpause. Dann in drängendem Duktus die Durchführung, in der gewaltige Steigerungen erreicht werden. Fast scheint Harnoncourts Interpretation eine Verwandtschaft zwischen Schubert und Bruckner hörbar zu machen, indem sie das Herbe und Kantige der ‚Unvollendeten‘ akzentuiert und, thematische Blöcke durch tiefe Einschnitte trennend, weniger den melodischen Fluss dieser Symphonie herausarbeitet als ihn vielmehr, immer wieder stockend und mit scharfen Akzenten zerschneidend, gewissermaßen parzelliert. Stürmischer Beifall vom aufmerksamen Salzburger Publikum dankte für einen nicht nur interessanten, sondern auch bewegenden Konzertabend.
Kritik von Christian Gohlke
Kontakt zur Redaktion
Schubert, Mozart: Salzburger Mozartwoche
Ort: Großes Festspielhaus,
Werke von: Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert
Mitwirkende: Nikolaus Harnoncourt (Dirigent), Wiener Philharmoniker (Orchester), Leif Ove Andsnes (Solist Instr.)
Detailinformationen zum Veranstalter MozartwocheDieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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