Klavierabend mit Davide Cabassi in Erl
Die Fenster im Horizont des Alltäglichen
Den zweiten von drei Klavierabenden bestreitet Davide Cabassi, kein Unbekannter in Erl. Er wird auch der Solist in Robert Schumanns Klavierkonzert in a-Moll sein. Die Präsenz des von Gustav Kuhn mit entdeckten und kontinuierlich geförderten 33jährigen Mailänders, der auf internationale Erfolge verweisen kann, ist rundum gerechtfertigt. Das zeigte dieser Abend.
Cabassis Soloabend ist ein Erfolg. Er beginnt mit einem Stück von Johann Sebastian Bach, dem Capriccio in B-Dur, BWV 992, bei dessen ersten, melodiös und versonnen anmutenden Teilen man sich angenehm verwirrt fragt, ob es so etwas geben kann wie eine „barocke Romantik“, bevor in den abschließenden Passagen des Werkes die scheinbar typischen Techniken Bachs erklingen. Dies aber dann mit einem Höchstmaß an Virtuosität, die nie zum Selbstzweck wird, sondern werkdienlich bleibt. Gespielt wird auf einem Steinway-Flügel, fernab aller Originalklangverpflichtungen.
Dann Franz Schuberts Sonate in a-moll D 845, ein großes Werk von symphonischen Dimensionen, besonders in den finalen Passagen der Ecksätze. Zutiefst verinnerlicht und dennoch höchst expressiv gestaltet der Pianist das wild pochende Thema des Anfangs, überführt den drängenden Gestus der Musik in die Verwandlungen der Facetten abgrundtiefer Einsamkeit, abschließend mit in ungeheurer Steigerung sich jäh aufbäumenden Akkorden.
Der ungewöhnliche Zugang des Pianisten, seine individuellen Betonungen und Einfärbungen, die gerade im liedhaft beginnenden zweiten Satz so berührender wie virtuoser Gesangskunst entsprechen, lässt eben jenes 'Andante' wie das folgende, gänzlich Schubertsche scherzlose Scherzo zu einem Memento werden, dessen Ernsthaftigkeit man sich nicht entziehen kann. Und eben jene Seelenstimmung wird bei größter Emphase nicht überdeckt durch die wilde Steigerung des furiosen Finalsatzes, sie bekommt in der empfindsamen Interpretation durch Davide Cabassi noch im höchsten Ausreizen der Klangdimensionen des Instruments im Raum einen Hauch der Zerbrechlichkeit.
Fulminant, mitreißend, versonnen und auch humorvoll die abschließende Betrachtung der 'Bilder einer Ausstellung' von Modest Mussorgsky. Hier kommen alle Tugenden des plastischen und farbreichen Spiels des Pianisten zur Geltung; als gelte es, die einzelnen Bilder in ihren üppigen Goldrahmen wahrzunehmen, das wiederkehrende hymnische Motiv, dem jeweils narrative Passagen folgen. Dabei bleibt Cabassis Spiel aber nicht stehen, seine Interpretation führt am Ende in die abstrakte Galerie aus Klangfarben, die sich mischen und zu Bildern werden, die uns Beglückendes und Verstörendes zugleich sehen lassen, alles aber weit hinterm Horizont des Alltäglichen.
Kritik von Boris Michael Gruhl
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Tiroler Festspiele Erl: Klavierabend mit Davide Cabassi
Ort: Passionsspielhaus,
Werke von: Johann Sebastian Bach, Franz Schubert, Modest Mussorgsky
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