
Mahlers Achte als Abschluß der Europäischen Wochen
Ewiger Wonnebrand
Das Werk ist ein Spektakel. Und es braucht wahrhaft spektakuläre Kräfte, um es aufzuführen. Die Symphonie Nr. 8 von Gustav Mahler, die sich nach der Eingabe eines findigen Konzertagenten bis heute ,Symphonie der Tausend’ nennt, ist und bleibt ein Erlebnis. Den Europäischen Wochen ist es gelungen, Mahlers größte Symphonie zum zweiten Mal überhaupt in Passau zu Gehör zu bringen. Aber auch hier wurde man den Eindruck nicht los, dass sich die Wahrnehmung des Werkes vor allem auf den atemberaubenden ersten Teil, der den Pfingsthymnus ,Veni, creator spiritus’ vertont, bezieht. Im zweiten Teil mit seiner schwer verständlichen, da heute längst nicht mehr zum Bildungskanon zu rechnenden Schlussszene aus Goethes Faust II, werden die Zuhörer doch merklich unruhiger. Erst der Schlusschor ,Alles Vergängliche’ mit seiner berückenden Harmonik vermittelt sich und sein weltumspannendes apotheotisches Anliegen wieder unmittelbar.
Doch stimmt die Koordination zwischen den versammelten Massen, kann zumindest im ersten Teil wenig schief gehen. Die Musik raubt dem Hörer den Atem und tauscht Kritikerlaunen schnell gegen die eigene Ergriffenheit. Basil Coleman packte seine sechs Chöre aus dem ostbayerischen Raum, die Regensburger Domspatzen sowie das Orchester des Stadttheaters Regensburg und des Südostbayerischen Städtetheaters an der richtigen Stelle und formte die ersten 20 Minuten zu einem triumphalen Klanggemälde. Coleman forderte von den höchst engagierten 250 Sängern und 100 Instrumentalisten maximalen Einsatz, ohne dass alles in bloßem Krach ausgeartet wäre. Dass die Streicher eher unterbesetzt waren (nur sechs Kontrabässe!) wurde durch die Akustik relativ problemlos abgefangen. Furios und durchschlagend überstiegen die Soprane Gail Sullivan und Katharina E. Leitgeb immer wieder die Klangballungen als leuchtende Klangkronen. So steuerte der Hymnus auf ein rauschhaftes ,Gloria Patri’ zu. Coleman beschleunigte diesen Schluss lieber zum Sturm, als die Ewigkeit durch Temporücknahme majestätisch anzudeuten.
Als problematisch erwies sich einmal mehr die Akustik des barocken Doms St. Stephan. Schon in den ersten Reihen war es fast unmöglich, den Text zu verfolgen. Selbst wenn die Chöre ihre Deklamation absolut übertrieben hätten, wäre im Fortissimo wohl auch nicht mehr zu verstehen gewesen. So vermittelte sich die exakte Aussprache des Chors nur in den Pianissimo-Passagen des zweiten Teils. Hier sind die Solisten für längere Zeit die Protagonisten. Zu den beeindruckenden Stimmen gehörten wiederum der dramatische Sopran von Gail Sullivan (Magna Peccatrix) und Katharina E. Leitgeb (Una Poenitentium). Zweitere wirkte leider gegen Ende in der Höhe etwas angeschlagen. Maria Soulis und Carmela Calvano Forte in den Partien der Maria Aegyptica und Mulier Samaritana konnten leider mit ihrem tief empfundenen Singen nicht gegen das Orchester ankommen. Vor allem die Bläser waren den Sängern gegenüber ungnädig laut. Johánn Smári Saevarsson (Pater Profundis) und Anders Lund (Doctor Marianus) waren um der Hörbarkeit willen gezwungen, häufig zu forcieren, wodurch beide etwas eng und die Vokale verfärbt klangen. Von den Männern gelang es nur Thomas Johannes Mayer mit einer intensiven, fast groben Interpretation von ,Ewiger Wonnebrand’ ganz zu überzeugen.
Trotz dieser Einschränkungen bleibt ein guter Eindruck von dieser Aufführung, der nicht zuletzt der meisterlichen Leistung der lokalen Chorkräfte und dem sauberen, farbigen Orchesterspiel der vermeintlichen Provinzorchester zu danken ist. Stehende Ovationen.
Kritik von Dr. Thomas Vitzthum
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Mahler: Symphonie Nr. 8 Es-Dur : Dom St. Stephan
Ort: Dom St. Stephan,
Werke von: Gustav Mahler
Mitwirkende: Regensburger Domspatzen (Chor), Basil Coleman (Chorleitung), Orchester des Stadttheaters Regensburg (Orchester), Orchester des Südostbayerischen Städtetheaters (Orchester), Anders Lund (Solist Gesang), Johánn Smári Saevarsson (Solist Gesang), Carmela Calvano Forte (Solist Gesang), Maria Soulis (Solist Gesang), Katharina E. Leitgeb (Solist Gesang), Gail Sullivan (Solist Gesang), Thomas Johannes Mayer (Solist Gesang)
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