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Szenenfoto, © Barbara Pálffy
La Traviata an der Volksoper Wien
Musik top, Regie Flop
Erstmalig über die Bühne der Volksoper ging Verdis „La Traviata“ 1905. Seit damals waren in diesem Klassiker der Opernliteratur schon Legenden wie Richard Tauber (1920 als Alfredo) im Haus am Gürtel zu hören. Die aktuell laufende Inszenierung von Hans Gratzer hatte im Juni 2001 Premiere. Sie leidet allerdings an einem erheblichen inhaltlichen Vakuum. Außer überwiegend vorherrschenden Grau- und Blassblautönen, einer eifrig rotierenden, weitgehend leeren Drehbühne, um die sich wiederum kreisförmig ein Vorhang bewegt und mit tendenziell milchig-fahler Ausleuchtung ist nicht viel zu sehen.
Unschlüssiger Schluss
Dem Konzept fehlt es über weite Strecken an erzählerischer Substanz. Speziell der Vorhang gibt oftmals nur einen verschleierten Blick auf das Geschehen frei und zwingt den Zuschauer in eine distanzierte Betrachtungsweise. Dies führt spätestens dann zu einem paradoxen Ergebnis, wenn sich am Ende Violetta und Alfredo in leidenschaftlich liebender Verzweiflung denkbar nahe sein sollten, einander hier aber szenisch denkbar fern sind. Für den unschlüssigen Schluss steht auch das demonstrativ unbeteiligte Wegsehen von Annina und Dr. Grenvil. Das alles ist dann in der Relation zu Musik und Libretto schlicht nicht mehr glaubwürdig. Sofern spärlich vorhanden, erschließt sich auch konstant vorhandene Symbolik nicht wirklich. Das wiederkehrende Motiv der Pierrot-Figur wirkt – Karneval in Paris hin oder her – eher wie ein bemüht implantierter Fremdkörper. Erst recht die Tatsache, dass Violetta selbst wiederholt Pierrot-Gestalt annimmt, lässt einen ratlos zurück. Damit, das Ganze zwischenzeitlich mit grotesk karnevaleskem Treiben anzureichern, ist es auch nicht getan. Punktuelle Aktion ist kein Ersatz für statische Personenführung. Auch die eingebaute Choreografie wirkt teils nicht konsequent durchdacht, zum süffigen Trinklied passen die mechanischen Tanzbewegungen einfach nicht. Nur einmal kommt handlungsnah bebilderte Ästhetik auf: Der Auftritt der Zigeuner und Stierkämpfer auf Floras Ball bringt Farbe und Interaktion ins Spiel und in die ansonsten zu weit verbreitete Monotonie.
Grandioses Dirigat
Gut, dass es da noch die den Abend rettende Musik gibt. Hila Baggio macht zwar einen Bogen um die berüchtigt verschärften Spitzentöne, gibt ansonsten aber – nicht nur im anrührend vorgetragenen „Un di felice“ – eine hervorragende, koloratursichere und die Seelenzustände der Figur bravourös ausleuchtende Violetta. Tenoral grundsolide gestaltet auch Jason Kim die Partie des Alfredo. Gut, wenn auch nicht ganz so gut wie in derselben Rolle am Haus Orhan Yildiz und schauspielerisch etwas weniger gewandt, meistert Andrei Bondarenko die Rolle des Giorgio Germont. Sofia Vinnik (Annina) und Alexander Fritze (Dr. Grenvil), beide im vergangenen Jahr Teilnehmer des Young Singers Projects bei den Salzburger Festspielen, empfehlen sich mit starken Leistungen für höhere Aufgaben. Exzellent präsentiert sich auch das Orchester. Ungeachtet der personellen Diskussionen um seine Vertragsunterzeichnung an der Hamburgischen Staatsoper parallel zum Chefdirigentenamt an der Volksoper, gibt Omer Meir Wellbers impulsives Dirigat einen energiegeladenen musikalischen Pulsschlag aus dem Graben vor. Mit einer echten Glanzleistung bringt er nicht nur Zählzeiten und Tempowechsel, sondern auch Emotionen und Spannung bis in die Rezitative auf den Punkt. Die Volksoper würde gut daran tun, ihn seinen Vertrag vollständig erfüllen zu lassen.
Kritik von Oliver Bernhardt
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