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Insula Orchestra / Laurence Equilbey, © Julien Mignot
Haydns 'Schöpfung' in Hamburg
Eine Schöpfung für Gerard Mortier
Bevor Gott die Welt erschuf, herrschte Chaos, Finsternis, Leere. So beginnt Haydns Oratorium 'Die Schöpfung', um sodann in farbigsten Tonmalereien und anrührenden Melodien die Schönheiten wie das werdende Licht, das Firmament, die Winde, das Wasser, das pflanzliche und tierische Leben und nicht zuletzt das Wunder des Menschseins in allen Einzelheiten zu schildern und zu lobpreisen.
In der Elbphilharmonie in Hamburg war Pfingstmontag und -dienstag Haydns Oratorium erneut zu erleben. Ein helles, luftig leichtes Spiel aus schwebenden Erzengeln, aus Asylsuchenden, Helium gefüllten Luftballons, Gazevorhängen, sichtbarer Bühnentechnik, Farben, Licht und Bewegung - in Szene gesetzt von der katalanischen Theatergruppe La Fura dels Baus. In Koproduktion mit den Ludwigsburger Schlossfestspielen und im Rahmen des 2017 in Hamburg stattfindenden Festivals "Theater der Welt" präsentierten Regisseur Carlus Padrissa und Laurence Equilbey mit ihrem Orchester- und Chorensemble Insula bzw. Accentus das 1799 im Wiener Burgtheater erstmals öffentlich aufgeführte Werk.
Zu Beginn führen Schwarz-weiß-Projektionen auf Gazevorhängen das Weltall mit seinen fliehenden Planeten und Sonnensystemen und bewegten, mikroskopisch kleinen Strukturen vor Augen. Parallel zu den biblischen Schöpfungstagen und Lobpreisungen erzählt Pardrissa außerdem eine weitere Wirklichkeit. Ein Flüchtlingsstrom ergießt sich über das zur Bühne umfunktionierte Konzertpodest. Sie tragen große, mit Helium gefüllte weiße Ballone und Laptops, kreisen und irren umher und mischen sich – nach geglückter Aufnahme – im dritten Teil des Oratoriums unter das Publikum. Zuvor jedoch kämpfen sie mit Wasserfluten und anderen Widrigkeiten, leben in Aufnahmecamps und bleiben am Boden, während weiß und luftig gewandete, mit bunten Lichtern und Flügeln bzw. Wolkenfetzen ausgestattete Erzengel im Raum schwebend das Bibelwort verkünden. Letztere hängen an einer in der Elbphilharmonie geradezu klein wirkenden, neun Meter hohen Krankonstruktion und verkünden das Bibelwort.
Technisches Gegengewicht des Krans ist ein 1000 Liter fassendes Aquarium. Während das Insula-Orchester anschaulich gestaltend die Eigenschaften des Wassers in Szene setzt, droht ein Mensch auf der Bühne zu ertrinken. Dramatisch zugespitzt zeigen laufende Bilder zusätzlich das ungestüme, wilde Meer in Großaufnahmen. Mit anspielungsreicher Geste reicht der Erzengel seine rettende Hand.
Humorvoll nutzt Padrissa das Wasserbecken, um das Duett 'Holde Gattin' im dritten Teil zu konterkarieren. Während Adam, textverständlich, transparent und brustig schillernd von Daniel Schmutzhard interpretiert, und Eva, schlank und koloraturreich verziert von Sunhae Im, ihre Liebe besingen, steigen sie zunächst im Wasser auf und ab, erheben sich dann nass in höchste Höhen, um hin- und herschaukelnd ihr idealistisch humanistisches Menschen- und Liebesbild zu entfalten. Eine Meisterleistung der Gesangssolisten.
Martin Mitterrutzner stellt anrührend den Erzengel Uriel dar. Klangvoll, farbenreich schillernd, differenziert gestaltend erklingt die Arie 'Mit Würd’ und Hoheit angethan'. Lyrisch, mit dem Hauch eines barocken Pathos wird hier Erschaffung des Menschen als König der Natur und geistvolles Ebenbild des Schöpfers geschildert.
Zu den musikalischen Höhepunkten des Abends zählen jedoch nicht nur die passend ausgewählten Gesangssolisten. Auch der Accentus-Chor und das historisch orientiert musizierende Insula-Orchester unter der Leitung Laurence Equilbeys gestalten ausdruckstark und differenziert in Tempo und Dynamik. Ein leichter, transparent und beweglich wirkender Orchesterklang mit wunderbar melodischer Strahlkraft der Holzbläser.
Kritik von Ursula Decker-Bönniger
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Die Schöpfung: Szenische Aufführung von La Fura dels Baus
Ort: Elbphilharmonie,
Werke von: Joseph Haydn
Mitwirkende: Accentus Kammerchor (Chor), Laurence Equilbey (Dirigent), La Fura dels Baus (Inszenierung), Insula orchestra (Orchester), Sunhae Im (Solist Gesang), Martin Mitterrutzner (Solist Gesang), Daniel Schmutzhard (Solist Gesang)
Presseschau mit ausgewählten Pressestimmen:
Schöpfung, zuweilen erschöpfend
a Fura dels Baus zelebriert Joseph Haydns bekanntes Oratorium in der Elbphilharmonie
(Die Welt, )
Haydns "Schöpfung" - plakativ und opulent
(Norddeutscher Rundfunk (NDR), )
La Fura dels Baus begeistern in der Elbphilharmonie
(Frankfurter Neue Presse, )
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