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Symphoniker Hamburg, © J. Konrad Schmidt
Olaris Elts dirigiert die Hamburger Symphoniker
Übergänge
Auf den ersten Blick war es ein Standardprogramm: Orchesterstück, Klavierkonzert, Sinfonie. Doch durch den eingesprungenen Olaris Elts, der Nicola Luisotti als Dirigenten ersetzte, wurde mit den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle aus der lineraren Abfolge eine kreisförmige Bewegung. Elts, seines Zeichen Chefdirigent des Estonian National Symphony Orchestra, setzte nämlich zu Beginn den Einsätzer „Verdigris“ der finnischen Komponistin Lotta Wennäkoski aufs Programm. Diese nahm sich die sinfonische Dichtung „En Saga“ von Jean Sibelius zum Ausgangspunkt und schuf daraus ein oszillierendes Gewebe aus Geräuscheffekten aller Arten, Klangfeldern, melodischen Fetzen der Vorlage und organischen Entwicklungen. Auch wenn das Ergebnis bisweilen stark nach Neue-Musik-Klischees klang, stellte es doch die faszinierende Frage in den Raum, inwieweit Sibelius‘ Komponieren der Postmoderne vorausgreift, und seiner Zeit voraus war. War Sibelius‘ Personalstil im Grunde also sehr viel fortschrittlicher, als es die allgemeine Wahrnehmung hierzulande immer noch wahrhaben will? Schließlich existieren vom Früh- („En Saga“) bis zum Spätwerk („Tapiola“) bei ihm immer wieder von der Dur-Moll-Tonalität losgelöste Passagen, die sich jenseits einer traditionellen Formenlehre bewegen. Insofern war es sicher kein Zufall, dass an diesem Abend gerade die Fünfte Sinfonie von Sibelius in Es-Dur op. 82 den Abschluss bildete, lebt dieses beliebte Werk doch von seinen schillernden, sich auseinander entwickelnden Klangfeldern, die ihrer eigenen Logik folgen. Unter Olaris Elts entfalteten die Hamburger Symphoniker jene Entwicklungen mit zwingendem Sog, da dieser am Pult mit den Bewegungen eines Chordirigenten die Musik stetig vorwärts trieb und stets für eine ausgewogene klangliche Balance sorgte. Dieses Ineinanderfließen von Streichertremolo zu Streichertremolo inmitten sich unabhängig weiterspinnender Melodien sorgte für eine ganz andere Kunst des Übergangs, die Sibelius ganz eigene Originalität wunderbar zum Vorschein brachte.
Sehr viel mehr in der Vertikalen bewegte sich zuvor Dong Hyek Lim im Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll op. 16 von Sergei Rachmaninow. Gleich zu Beginn überraschte der Südkoreaner, indem er die berühmten Anfangsakkorde in Arpeggien spielte - eine Lesart, die durchaus einzunehmen wusste. Auch wenn das Orchester vor allem im Kopfsatz den Vortrag des lange in Moskau ausgebildeten Dong Hyek Lim leider ein ums andere Mal zudeckte, wusste dieser mit makelloser Motorik und stupender Ausdrucksstärke mitzureißen. Überhaupt kam man hier in den Genuss eines Virtuosenvortrags im besten Sinne. Im „Adagio Sostentuo“ fand man dann besser zusammen, sodass der Solopart auf dem Steinway und die Holzbläser mitunter wunderbar dialogisierten. Spätestens im „Allegro Scherzando“ mit dem überirdisch schönen Seitenthema hatten Orchester und Flügel dann vollends zueinander gefunden, sodass es am Schluss Jubelstürme gab. Eine ganz andere, angenehm zurückgenommene Seite zeigte Dong Hyek Lim dann mit der Bach-Zugabe, die den Abend abrundete.
Kritik von Dr. Aron Sayed
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Symphoniker Hamburg / Lim / Luisotti : Dallapiccola / Rachmaninow / Sibelius
Ort: Elbphilharmonie,
Werke von: Sergej Rachmaninoff, Jean Sibelius, Luigi Dallapiccola, Johann Sebastian Bach
Mitwirkende: Hamburger Symphoniker (Orchester)
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